31. Juli 2013

Das schöne Nichts

Kino | »La grande bellezza« von Paolo Sorrentino (2013)

Ein Klatschreporter in Rom, seine langen Nächte und seine kurzen Tage, sein Scharfblick und seine Ambition, seine fehlgeleitete Sensibilität und seine unproduktive Leidenschaft – wer dächte da nicht an Marcello Rubini, an Federico Fellini, an »La dolce vita« … Paolo Sorrentino verleugnet das Vorbild nicht, schon der Titel seines Filmes klingt ja wie eine Variation, wie ein Echo; sein Held allerdings ist nicht mehr in den besten Jahren, er begeht seinen 65. Geburtstag. Jep Gambardella (Toni Servillo), der vor Jahrzehnten einen einzigen, gefeierten Roman (»L’apparato umano«) schrieb, steht nicht mehr mitten im verpfuschten Leben, er blickt – amüsiert, bestürzt, zynisch, nostalgisch – auf die durchgebrachte Existenz zurück. Eine groteske Zirkustruppe bevölkert das fetzenhafte Geschehen rund um den intellektuellen Dandy: Adel und Klerus, Partyvolk und Medienhuren, Zwerge und Fleischberge, Powerfrauen und Hampelmänner feiern ein Fest, das nie zu Ende geht – ungreifbare Ewigkeit in botoxstarrer Gegenwart. Die gähnenden Oberflächen und die glänzenden Abgründe, die Sorrentino präsentiert, rufen einen weiteren Meister des italienischen Kinos ins Gedächtnis: Wie die Werke Michelangelo Antonionis spricht »La grande bellezza« von luxuriöser Isolation und durchdesignter Entfremdung, von berührungsängstlicher Unentschiedenheit und Kälte inmitten hektischen Trubels. Mehrfach, und das ist wohl kein Zufall, bringt Jep, dieser große Zampanò der schäbigen Schönen und der armen Reichen, zudem Gustave Flaubert ins Gespräch, erzählt von dessen Traum, einen Roman über nichts zu schreiben. Und tatsächlich, Paolo Sorrentino ist es in gewisser Weise gelungen: Er hat einen großen, schönen Film über nichts gemacht, einen Film über die Leerjahre des Herzens, über die Verschleuderung der Gefühle; sentimental wie er ist, läßt Sorrentino Glaube, Hoffnung, Liebe am Ende dennoch nicht fahren, zeigt Flamingos, die sich wundersamerweise auf einer römischen Dachterrasse niederlassen, zeigt eine hundertjährige Heilige auf dem Weg zu ihrem Heiland, zeigt eine träumerische Fahrt auf dem Tiber, zur Burg der Engel, zeigt die Reise eines Verlorenen, ans Ende der Nacht, zurück zu den Wurzeln.

25. Juli 2013

Ein Götzenbild

TV | »George« von Joachim A. Lang (2013)

Ob Saft-und-Kraft-Mime Heinrich George (1893-1946), der seine Karriere auf den linken Bühnen der Weimarer Republik fulminant begann, im Theater und Kino des »Dritten Reiches« glanzvoll fortsetzte und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in einem sowjetischen Speziallager traurig beendete, tatsächlich ein arglos polternder Ich-will-doch-nur-spielen-Mitläufer war oder ein doppelstrategischer Kompromißler oder ein zwangsweiser Gelegenheitspropagandist des Bösen oder einfach nur ein bedauernswert unkritisches Opfer nationalsozialistischer und stalinistischer Umstände, sei dahingestellt – eine derart bräsige Familienaufstellung, ein so schmierenkomödiantisch-sentimentales Reenactment hat der zwiespältige Volks-, Bauch- und Staatskünstler (»Berlin-Alexanderplatz« … »Jud Süß« … »Kolberg«) gewiß nicht verdient. Götz George (in der Sohn- und Titelrolle) und Joachim A. Lang (Autor und Regisseur) errichten aus Spielszenen, Interviews und Dokumentarmaterial ein tränenfeucht-dröhenendes (Vater-)Denkmal ohne biographische Diagnostik, ohne historische Reflexion, ohne tieferes Erkenntnisinteresse, ein hochpoliert-abgeschliffenes TV-Produkt, das von allen guten Geistern des dokudramatischen Genres (wie es Horst Königstein oder Heinrich Breloer prägten) völlig verlassen ist.

10. Juli 2013

Studio D: Rolf Hädrich

Angeregt durch Davids Beitrag über Franz-Peter Wirths Fernsehspiel »Konto ausgeglichen« und die daran anknüpfende Diskussion bei Whoknows Presents, möchte ich im »Magazin des Glücks« eine Rubrik installieren, die sich (in unregelmäßigen Abständen) der deutschen Fernsehgeschichte widmet. Natürlich kann ich keine vollständigen Retrospektiven veranstalten, aber Dank diverser DVD-Veröffentlichungen gibt es zumindest die Möglichkeit, sich grobe Überblicke über ausgewählte Programme oder künstlerische Biographien zu verschaffen.

Den Auftakt von »Studio D« bildet ein Querschnitt durch das Schaffen des TV-Regisseurs Rolf Hädrich (1931-2000). Hädrich war vor allem für den Hessischen und für den Norddeutschen Rundfunk tätig, häufig in Zusammenarbeit mit dem langjährigen NDR-Fernsehspielchef Dieter Meichsner. Seine Filmographie in der IMDb nennt 45 Titel – darunter auch Mehrteiler und Serien –, die zwischen 1958 und 1989 entstanden sind.

Die folgenden Texte zu einzelnen Fernsehspielen werden durch knappe filmographische Angaben ergänzt: B Buch V Vorlage Ü Übersetzung K Kamera M Musik A Ausstattung S Schnitt P Produktion D Darsteller | Länge | Datum der Erstausstrahlung

Der Dank der Unterwelt – Eine Geschichte aus Soho

Rolf Hädrichs Debüt – die deutsche Fassung eines harmlosen BBC-Kriminalstücks. Inspektor Pink (im Original weniger schrill: Charlesworth) beauftragt den gewitzten Taschendieb Slippy mit der Wiederbeschaffung gestohlener Geheimdokumente. Winfried Zilligs Titelmelodie variiert Kurt Weills Moritat von Mackie Messer, aber der Haifisch hat keine Zähne: Joseph Offenbach als Kriminaler und Heinz Reincke als Krimineller liefern sich ein leidlich amüsantes Match, Hädrichs Inszenierung ist so sauber und beschaulich wie die Vorlage. Auf das Soho der Phantome, der Buckligen und der Gorillas muß das deutsche Publikum noch ein paar Jahre warten.

V Berkely Mather Ü Georg Hensel K Wilfried Huber M Winfried Zillig A Rudolf Küfner S Gabriele Kleinicke P HR D Joseph Offenbach, Heinz Reincke, Erni Mangold, Friedrich Schönfelder, Albert Matterstock | 45 min | 1. August 1958

Die Stimme aus dem Hut – Eine Geschichte aus Soho

In der zweiten Geschichte aus der Unterwelt der englischen Hauptstadt spielt Inspektor Pink nur eine Nebenrolle; im Mittelpunkt steht der genialische Tüftelgangster Cripps (Karl Maria Schley), der mit einer Truppe von funkgesteuerten Handlangern Londons Buchmacher austricksen will. Daß die Technik dem Technizisten letztlich ein Schnippchen schlägt, ist kein süffisanter Kommentar auf den modernen Machbarkeitswahn sondern die schlichte Pointe eines schlichten Krimi-Komödchens. Rolf Hädrich inszeniert noch behäbiger als im ersten Fall; die Einrichtung der dritten und letzten Soho-Episode (»Instinkt ist alles«) wird er einem anderen Regisseur überlassen – um sich fürderhin interessanteren Aufgaben zu widmen.

V Berkely Mather Ü Georg Hensel K Wilfried Huber M Peter Thomas A Horst Klös S Hilde Grabow P HR (Helmut Krapp) D Joseph Offenbach, Karl Maria Schley, Robert Lossen, Hans Timerding, Hein ten Hoff | 45 min | 20. Oktober 1959

Verspätung in Marienborn (Stop Train 349)

Eine frühe Film-Fernsehen-Koproduktion mit internationaler Beteiligung und einem veritablen Oscar-Preisträger in einer der Hauptrollen. Basierend auf einem Drehbuch von Will Tremper (der den Film wegen des Konkurses der vorgesehenen Produktionsfirma nicht selbst realisieren konnte) inszeniert Rolf Hädrich auf engem Raum eine spannende deutsch-deutsch-alliierte Flüchtlingsstory, die einem Ereignis aus dem Dezember 1961 folgt: Bei einem kurzen Zwischenhalt irgendwo in der Zone springt ein junger DDR-Bürger auf den US-Militärzug von Berlin nach Frankfurt; seine Anwesenheit bleibt nicht unbemerkt: Eine Krankenschwester hilft ihm sich zu verstecken; ein mitreisender Journalist (knurrig: José Ferrer) wittert einen Knüller und führt mit dem Republikflüchtling, der seinen Eltern in den Westen folgen will, ein exklusives Tonband-Interview; schließlich schöpfen auch östliche Transportpolizisten Verdacht und melden die Sache ihren Vorgesetzten. Nur der junge amerikanische Kommandant (Sean Flynn, ein Sohn von Errol) ahnt von alldem nichts, schwört Stein und Bein, daß sich kein blinder Passagier an Bord befände, als die Sowjets den Zug am Kontrollpunkt festhalten und die Lokomotive abkoppeln … Als Musterbeispiel eines geschlossenen Dramas wahrt »Verspätung in Marienborn« strikt die Einheit von Zeit (eine Nacht und ein Tag), Ort (ein versiegelter Zug und ein abgeriegelter Grenzbahnhof) und Handlung. Von Interesse erscheinen weniger die Überzeugungen oder Motivationen der knapp gezeichneten Charaktere, sondern ihre Gefangenschaft in einem abstrakten System technisch-administrativer Mechanismen, das weder persönlichen Handlungsspielraum noch individuelle Rücksichtnahme zuläßt – nicht einmal die rivalisierenden Ideologien der feindlichen Mächte spielen in diesem kalten (Nerven-)Krieg noch eine wesentliche Rolle. Am Ende sind es folgerichtig nicht die Personen des Stücks sondern anonyme Instanzen, die per Telefonbefehl das Schicksal des Flüchtlings besiegeln.

B Will Tremper, Victor Vicas (englische Fassung) K Roger Fellous M Peter Thomas, Claude Vasori A Dieter Bartels, Albrecht Hennings S Margot Jahn, Georges Arnstam P Hans Oppenheimer, HR D José Ferrer, Sean Flynn, Nicole Courcel, Jess Hahn, Hans-Joachim Schmiedel | 94 min | 4. Juli 1963

Doktor Murkes gesammeltes Schweigen

»Das ist alles sehr, sehr gut.« Dieter Hildebrandt, der auch die Adaption der Erzählung von Heinrich Böll besorgte, spielt die Titelrolle, einen Redakteur der Abteilung ›Kulturelles Wort‹ bei einem ungenannt bleibenden deutschen Rundfunksender. (Gedreht wurde das Stück im gläsernen Funkhaus-Rundbau des Hessischen Rundfunks, der Ende der 1940er Jahre von der Stadt Frankfurt, etwas vorschnell, als Sitz des Bundestages errichtet worden war.) Das Fernsehspiel schildert einen Tag aus dem Arbeitsleben des ironisch-distanzierten Doktor Murke, angereichert mit leicht surrealisierten erzählerischen Vignetten aus dem Betriebstrott einer öffentlich-rechtlichen Anstalt. Den zentralen Handlungsfaden bildet die Überarbeitung eines Vortrages des dampfplaudernden Mikrofon-Professors Bur-Malottke (mit Goethemähne: Robert Meyn) über das Wesen der Kunst: Der Referent möchte das glaubensvolle (27 mal verwendete) Wort »Gott« jeweils durch die neutrale Formulierung »jenes höhere Wesen, das wir verehren« ersetzt wissen. Um diese einigermaßen absurde Verrichtung gruppieren sich – in Fluren, Büros, Studios, Paternostern, Toiletten und (natürlich) in der Kantine – schwadronierende Schauspieler und abgebrühte Techniker, aalglatte Journalisten und ein von seiner leitenden (will sagen: leidenden) Funktion vollkommen abgeschliffener Intendant (Dieter Borsche). Rolf Hädrich präsentiert das Medium Funk, mit reichlich intellektueller Situationskomik, als selbstreferentielle Maschinerie, die hauptsächlich vom verzweifelten Dünkel und vom süffisanten Fatalismus ihres Personals in Schwung gehalten wird, als raumschiffartige Behörde, die weit über jener (Um-)Welt schwebt, auf die sie doch gemeinwohlig formend und staatsbürgerlich bildend einwirken will (und soll).

B Dieter Hildebrandt, Rolf Hädrich V Heinrich Böll K Klaus König M Peter Thomas A Arno Richter S Ursula van den Berg P HR (Eberhard Krause) D Dieter Hildebrandt, Dieter Borsche, Robert Meyn, Thomas Fabian, Heinz Schubert | 45 min | 6. Februar 1964

Doktor Murkes gesammelte Nachrufe

»Wir begrüßen Sie zum Abendprogramm des deutschen Fernsehens, das Sie auch heute wieder durch seine Vielseitigkeit erfreuen soll.« Kulturredakteur Doktor Murke wurde zum Fernsehen versetzt und mit der Leitung der neugeschaffenen Abteilung ›Pro Memoria‹ betraut, die ante mortem Nachrufe auf bedeutende Persönlichkeiten produziert. Der aus dem Vorgängerfilm bekannte Professor Bur-Malottke wendet sich in einer Voraufzeichnung seiner eigenen Grabrede gleich selbst an die spätere Nachwelt … Die Fortsetzung der Böll-Satire, läßt, wohl hauptsächlich wegen Verdoppelung der Spielzeit, Prägnanz (und damit auch Unterhaltungswert) des ersten Teils weitgehend vermissen. Das Fernsehen, dieses selbsternannte »Bergwerk des Geistes«, erweist sich als Apparat der Einflußnahmen und des Geschachers, als wirklichkeitsfernes Amt für Proporz und Popanz, als schlagendes Beispiel für Parkinsons Gesetze der Bürokratie. In nervenzerrender Breite schildert Hädrich die Ödnis von Gremiensitzungen, er beweist die strukturelle Bedeutung von Klogesprächen, illustriert das Ringen von Bild und Wort, von Manipulation und Wahrheit, zieht schließlich sogar das Rundfunkgesetz unter dem Arm des Titelhelden hervor, um ihn ausführlich daraus zitieren zu lassen. Kurioserweise geistern auch noch die vier Jacob Sisters durch das unkonzentrierte Stück, um Show zu machen und Kanon zu singen: »Oh, wie wohl ist mir am A-abend, mir am A-abend, / denn das Fernseh’n ist erla-abend, ist erla-abend. / Fern-seh’n, Fern-seh’n. / Alles kommt zu mir nach Hau-ause, ohne Pau-ause.« Irgendwann sagt eine Cutterin: »Die wahre Kunst ist die Kunst des Weglassens.« Leider besorgte sie nicht den Schnitt des Fernsehspiels, in dem sie auftritt.

B Dieter Hildebrandt, Rolf Hädrich V Heinrich Böll K Karl Schröder M Peter Thomas A Arno Richter S Stefanie Möbius P HR (Eberhard Krause) D Dieter Hildebrandt, Dieter Borsche, Robert Meyn, Thomas Fabian, Gisela Trowe | 85 min | 5. Oktober 1965

Der neue Mann

»Patterns« (≈ Muster, Strukturen) von Rod Serling (berühmt geworden als Schöpfer der Serie »Twilight Zone«) machte 1955 Furore im amerikanischen Fernsehen: Das live ausgestrahlte teleplay über die Abwrackung einer alt(gedient)en Führungskraft und das Emporkommen eines vielversprechenden »neuen Mannes« in einem New Yorker Unternehmen wurde aufgrund des großen Zuspruchs von Publikum und Kritik einen Monat nach Erstaufführung mit gleicher Besetzung wiederholt. Im Jahr darauf entstand die Kinofassung des Stoffes, und ein Jahrzehnt später adaptierte Rolf Hädrich das Stück fürs Abendprogramm des deutschen Fernsehens … Ramsey & Company, die Firma, deren Zentrale im 40. Stockwerk eines Wolkenkratzers auf der Insel Manhattan residiert, könnte als Metapher für die Auseinandersetzung rivalisierender Kräfte innerhalb der »Maschine Kapitalismus« stehen: Andy Sloane (Ernst Fritz Fürbringer), langjähriger Vizepräsident der Gesellschaft, inzwischen ein Magenkranker auf dem absteigenden Ast, vertritt einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz, will sagen: die soziale Marktwirtschaft, die Wohlstand für alle verspricht; Ramsey jun. (Carl Lange), der knochenharte Herr des Hauses, ein Wachstumsfetischist, der (buchstäblich) über Leichen geht, sieht die Wirtschaft als mitleidlosen Kampf und Selektionsprozeß; dazwischen steht Fred Staples (Hanns Lothar), der Neuzugang aus der Provinz, Protegé des Chefs, Bewunderer des Stellvertreters, den er beerben soll – Fred möchte gewinnen, ohne daß es einen Verlierer gibt, er glaubt an das Herzensgute und bewundert die Schonungslosigkeit, er will den Kuchen essen und ihn behalten. Rolf Hädrichs Inszenierung ist schnörkellos und plausibel, die Darsteller agieren überzeugend und nachvollziehbar, die unauflöslichen Widersprüche und der Verbrauchscharakter des Systems (inklusive der Mechanik von Aufstieg und Untergang der Beteiligten) werden nach allen Regeln der Kunst bloßgelegt – aber an die kraftvolle Direktheit des amerikanischen Originals kommt das gedämpft nachgespielte bundesdeutsche Remake nicht heran.

V Rod Serling Ü Irene Dodel, Horst van Diemen K Wilfried Huber M Peter Thomas A Siegfried Stepanek S Brigitte Siara P HR (Hartmut Grund) D Hanns Lothar, Carl Lange, Ernst Fritz Fürbringer, Brigitte Rau, Eva Bubat | 70 min | 11. November 1965

Mord in Frankfurt

Das bundesdeutsche Kino der Nachkriegszeit finde im Fernsehen statt, sagte Rolf Hädrich (– jedenfalls laut seines Kollegen Oliver Storz). »Mord in Frankfurt« erfüllt den nicht unbescheidenden Anspruch, der in dieser Behauptung liegt, mit Bravour. Zwei Tage in einer deutschen Großstadt – Schatten der Vergangenheit und Erschütterung der Gegenwart, hektische Alltagsnormalität und plötzlicher Gewaltausbruch, routinierte Trauerarbeit und echte Gewissensprüfung, gestörte Kommunikation und versuchte Kontaktaufnahme. Mehrere Handlungsstränge werden teils verknüpft, laufen teils parallel, kommentieren sich wechselseitig: Der polnische KZ-Überlebende Dr. Markowski (Václav Voska) reist als Zeuge zum Prozeß gegen die Lagerärzte von Auschwitz nach Frankfurt; ein Taxifahrer wird ermordet, woraufhin seine Kollegen einen wilden Streik ausrufen und die Todesstrafe für Bluttäter fordern; ein Theaterensemble probt und diskutiert Peter Weiss’ Dokumentarstück »Die Ermittlung«, das den ersten Frankfurter Auschwitzprozeß thematisiert; eine Stewardess, Freundin eines der Schauspieler, hat den Taximörder gesehen und erhält durch ihre Zeugenaussage Schlagzeilenprominenz … Der Film gleicht weniger einer Erzählung als einer Materialsammlung; Hädrich (der auch das Drehbuch schrieb) führt keine Verhandlung mit strenger Beweisführung, er organisiert eine Enquete mit offenem Ergebnis, ein erzählerisches Spiegelkabinett, dessen Konstruktion an keiner Stelle zum Selbstzweck wird. Jost Vacanos mobile Handkamera dynamisiert das Geschehen, schafft eine außergewöhnliche physische und psychische Intensität der Ereignisse, die von Peter Thomas’ sparsamem Soundtrack bald jazzig-groovig, bald abstrakt-minimalistisch akzentuiert wird; der Spielort, die Stadt Frankfurt am Main, gewinnt filmisches Leben zwischen dem Glas-und-Beton-Modernismus des bundesdeutschen Wohlstands und den Winkeln kleinbürgerlicher Gemütlichkeit. Hädrich gelingen eindrückliche Szenen, etwa wenn Markowski einem Herrn des Prozeßvorbereitungskomitees gegenübersitzt, der von den Zeugengeldern spricht (»Die Deutschen sind in diesen Dingen diesmal großzügig.« – »Sie sind nicht Deutscher?« – »Doch, doch.« – »Ach so …«) oder wenn er ratlos-erschöpft die Theateraufführung einer Sozialgroteske verläßt oder wenn er von aufgebrachten Taxifahrer mit den Worten »Wir fahren keine Mörder!« angepöbelt wird. Nach einem offenen Gespräch mit einer jungen deutschen Zeugenbetreuerin – beim Äppelwoi in Sachsenhausen (!) – gerät Markowski schließlich ins Räderwerk der juristischen Wahrheitsfindung, von der das Opfer eiskalt in die Rolle des Angeklagten gedrängt wird … »Mord in Frankfurt« ist weder provokatorischer Themen-Krimi noch wohlfeile Vergangenheitsbewältigung, vielmehr ein auf- und anregender Versuch über Recht und Gerechtigkeit, Erinnerung und Verdrängen, Gewissen und Verantwortung, ein Versuch, der nicht unbedingt zur Identifikation einlädt, eher zum Mitdenken und Erkennen.

B Rolf Hädrich K Jost Vacano M Peter Thomas A Herbert Labusga S Brigitte Lässig P WDR (Günter Rohrbach) D Václav Voska, Christiane Schröder, Joachim Ansorge, Monika Lundi, Karl-Heinz von Hassel, Dirk Dautzenberg | 77 min | 30. Januar 1968

Graf Öderland

»Es gibt Augenblicke, wo man sich wundert über alle, die keine Axt ergreifen.« Ein transzendenter Politthriller, eine schwarze Gesellschaftskomödie, ein metaphorischer Kommentar auf Protestbewegungen und herrschende Verhältnisse, ein assoziativ-surreales Traum-, Denk-, Schau-, End- und Schattenspiel: Der unbescholtene Kassierer einer Bank (Ernst Jacobi) hat den Hausmeister mit der Axt erschlagen, eines schönen Sonntags, einfach so. Lediglich der ermittelnde Staatsanwalt (Bernhard Wicki) bringt für diese rätselhafte Tat Verständnis auf, verbrennt seine Akten, schlüpft seinerseits in die Rolle des legendären Grafen Öderland, zieht axtmordend durchs Land, haut alle um, die sich seinem Freiheitszug in den Weg stellen: »Der Graf von Öderland / mit der Axt in der Hand. / Oh, wehe, weh euch allen. / Ich sehe euch fallen / wie Bäume im Wald.« Ausgehend vom acte gratuit des kleinen Angestellten entwickelt sich ein spukhaftes Stationendrama durch eine Welt, die nur Arbeit und Lohn kennt, kein Geschenk und keine Freude: »Man macht sich ein Gewissen daraus, daß man lebt.« Der Amoklauf des rebellierenden Staatsanwaltes, dem sich die (weitgehend gesichtlosen) Massen anschließen, führt zum Kollaps der Regierungsgewalt, freilich ohne daß sich irgendetwas zum Besseren wendete: »Wer, um frei zu sein, die Macht stürzt, übernimmt das Gegenteil der Freiheit: die Macht.« Rolf Hädrich taucht die Moritat von Max Frisch in eine hermetisch-somnambule Stimmung: durch das angespannte, aber seltsam unpersönliche Spiel der Darsteller, durch eine stilisierte, am expressionistischen Film geschulte Schwarzweiß-Fotografie, durch die Verschiebung aller Momente von äußerer Dramatik zwischen die Auftritte oder ins Off – Blut fließt nur hinter der Szene, die Revolution ist nichts weiter als eine Geräuschkulisse. Szenenbildner Hein Heckroth, der einst grandiose Kinolandschaften für Powell & Pressburger baute, intensiviert die phantastischen (Fernseh-)Wirklichkeit des Stücks durch die Kombination von artifiziellen Dekors (das Büro des Staatsanwaltes, die Zelle des Mörders, eine Kaschemme, die Kanalisation, eine Dachstube) mit emblematischen Originalschauplätzen (ein Segelschiff im Hafen, dessen Takelage die Ferne zerschneidet; die barocke Residenz, in deren prächtigen Sälen sich die fallende Elite ihrer selbst versichert). Das Ende der extravaganten Vorstellung bleibt offen und geheimnisvoll. »Man hat mich geträumt«, sagt der Staatsanwalt und blickt entgeistert auf seine Stiefel, an denen der Schlamm des mörderischen Umsturzes klebt – ein Gefangener zwischen Ausbruch aus falscher Hoffnung und Ersticken an der Zivilisation: »Öd’ ist unser Leben, / Tag für Tag. / Und so wird es sein / Tag für Tag, / bis ich alt bin / und sterbe. / Aber einmal, wenn ich aufseh’, / wie immer und immer, / ob alles von vorn beginnt / wie immer und immer, / da steht er vor mir, plötzlich, / der Graf von Öderland / mit der Axt in der Hand.«

B Rolf Hädrich V Max Frisch K Wilfried Huber M Peter Thomas A Hein Heckroth S Karin Kittel, Brigitte Lässig P HR (Dieter von Volkmann) D Bernhard Wicki, Agnes Fink, Hans Caninenberg, Nicole Heesters, Ernst Jacobi | 95 min | 8. Dezember 1968

Alma Mater

»Mit dem Herzen war man in Deutschland immer schon dabei.« Professor Freudenberg (gespielt von Karl Guttmann, einem niederländischen Theaterregisseur österreichisch-jüdischer Herkunft), Historiker an der Freien Universität Berlin, geht zum zweiten Mal ins Exil. 1933 mußte er Deutsch­land verlassen, weil ihm als Jude Verfolgung und Tod drohten; 1968 will er ein Zeichen setzten gegen die Destruktion des demokratischen Reglements durch eine radikalisierte Studentenschaft. »Alma Mater«, ein wütender (wenn man so will: parteilicher) Schuß vor den Bug des Zeitgeistes, erzählt in Rückblenden die Vorgeschichte von Freundenbergs zweiter Emigration. Die 68er-Bewegung und ihre Revolte gegen das Establishment erscheinen dabei als kaum verhüllte Wiederkehr jener anderen »Bewegung«, die einst ein verhaßtes »System« in Scherben fallen ließ. Autor Dieter Meichsner (der 1948 von der Ostberliner Humboldt-Universität an die neugegründete FU im Westen der Stadt wechselte) und Regisseur Rolf Hädrich (der sein Studium in Jena begann und 1951 nach Westberlin flüchtete) bringen ganz persönliche Erfahrungen mit Ideologisierung und Dogmatismus in ihr Drama ein, das in zugespitzten Diskussions- und Dialogszenen (insbesondere in Fakultätssitzungen und Vollversammlungen, aber auch in Vieraugengesprächen bei Spaziergängen durchs »Dahlemer Ghetto«) eine aufgeheizte Atmosphäre von bockiger Streitsucht und megaphonverstärkter Sprachlosigkeit ausmalt. Die Rollen in diesem (Fernseh-)Spiel der antagonistischen Widersprüche sind klar verteilt: Die (abgewogenen) Professoren sehen, bei aller hilflosen Verstocktheit, die Notwendigkeit von (universitärer ≈ gesellschaftlicher) Reform, während die (aggressiven) Studenten in »legalistischer« Umgestaltung der Verhältnisse letztlich nur die »Perpetuierung der Scheiße« erkennen können. Daß es den großen Schraubenschlüssel zur schlagartigen Lösung aller Probleme nicht gibt, mußten die Alten schmerzlich erfahren; die Jungen wollen von dieser Erkenntnis nichts wissen – und so wird der Schlüssel wohl einmal mehr dazu dienen, Köpfe einzuschlagen … Jost Vacanos bewegliche Reportagekamera, biographische Inserts zu den zentralen Figuren, Interviewsequenzen sowie die Verwendung von dokumentarischem Bildmaterial und Originaltönen suggerieren journalistische Authentizität und erzählerische Unmittelbarkeit in diesem geschickt konstruierten akademisch-politischen Lehrstück um Macht(-fragen) und Gewalt(-spiralen), dessen Lehre zu ziehen, dem Zuschauer nicht allzu schwergemacht wird. In der historischen Rückschau, zumal im Wissen um den blutigen Weg, den ein (kleiner) extremistischer Teil der Studentenbewegung gegangen ist, erweist sich »Alma Mater«, bei aller Schwarzweißmalerei, als wichtiges, durchaus hellsichtiges (zudem äußerst kurzweiliges) Dokument (s)einer bewegten Zeit.

B Dieter Meichsner, Rolf Hädrich K Jost Vacano A Mathias Matthies S Gisela von Garssen P NDR (Dieter Meichsner) D Karl Guttmann, Hans Baur, Malte Petzel, Claus Theo Gärtner, Ronald Nitschke | 90 min | 27. November 1969

Erinnerung an einen Sommer in Berlin

»… eine Welt voller Hoffnung, Angst und Haß, voller Sorge und Verzweiflung, oder auch voller Liebe, Grausamkeit und Treue – eine Welt, die Berlin heißt.« Eine komplexe Montage verbindet die (einigermaßen spröde) szenische Einrichtung der Deutschland-Kapitel aus dem nachgelassenen autobiographischen Werk »You Can’t Go Home Again« des amerikanischen Schriftstellers Thomas Wolfe mit Ausschnitten aus Leni Riefenstahls »Olympia«-Filmen sowie Erinnerungen von Zeitzeugen zu einem viel­schichtigen Bild des Berliner Sommers 1936. Wolfe, der Deutschland von früheren Besuchen her kannte und emotional tief verbunden war (»Ich fühlte mich hier ganz einfach zu Hause.«), realisiert nach und nach – in Gesprächen mit Freunden und durch unmittelbare Alltagserlebnisse – die gravierenden Veränderungen, die im »gelobten Land seines Herzens« unter dem Zeichen des Hakenkreuzes stattfanden. Widerstrebend muß der Amerikaner in seinem geliebten Berlin zur Kenntnis nehmen, daß hinter den Kulissen des mitreißenden Sport-(und Polit-)Spektakels eine düstere Wirklichkeit von Repression und Rassenhaß liegt. »Deutschland«, resümiert Wolfe schließlich desillusioniert, »war nicht mehr. Es gab keinen Weg zurück.« Rolf Hädrich setzt weniger auf Einfühlung denn auf Distanzierung, und auch wenn die hölzern agierenden Darsteller neben den Erzählungen der Interviewpartner recht blaß wirken, läßt die Mischung von Spiel- und Dokumentarelementen das spezifische Stimmunskonglomerat aus Glücksrausch und schleichender Erkenntnis, aus Faszination und Trauer über unwiederbringlichen Verlust bildhaft und verständlich werden.

B Rolf Hädrich V Thomas Wolfe K Bernd Eismann A Hans-Ulrich Thormann S Inge Bohmann P NDR (Dieter Meichsner) D Burt Nelson, Franziska Bronnen, Moritz Milar & Leni Riefenstahl, Albert Speer, Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, William L. Shirer | 85 min | 22. August 1972

Alle beschriebenen Filme sind auf DVD erhältlich, mit Ausnahme von »Alma Mater«, den ich im Archiv der Deutschen Kinemathek sichten konnte. (Vielen Dank an Holger Theuerkauf!) Ebenfalls erschienen sind »Von Mäusen und Menschen« nach John Steinbeck (1968) und eine dreiteilige Adaption des Theodor-Fontane-Romans »Der Stechlin« (1975). Weitere wichtige Fernsehinszenierungen von Rolf Hädrich sind derzeit nicht greifbar – es folgt eine kleine Übersicht mit Zitaten aus verschiedenen Quellen.

Die Abwerbung | B Erich Kuby | 11. September 1958 | »Die Bekanntschaft eines durch die DDR reisenden Mannes mit einer Fabrikbesitzerin in der DDR bringt diese dazu, die Frage, ob sie in den Westen gehen oder doch in der DDR bleiben will, für sich zu entscheiden. Sie bleibt letztlich aus einer persönlichen Verantwortung für die Familie.« Knut Hickethier, epd Medien 97/2002

Nachruf auf Jürgen Trahnke | B Dieter Meichsner nach seinem Roman »Die Studenten von Berlin« | 5. April 1962 | »Jürgen Trahnke ist ein Student, der aus der DDR nach West-Berlin gekommen war, dort an der FU studiert und immer noch Verbindungen in seine DDR-Heimat besitzt. Diese werden von einem Agentenunternehmen ausgenutzt, das Studenten in einer etwas zwielichtigen Weise für seine Interessen einsetzt. Trahnke, der gerade seine Liebe zu einer Studentin entdeckt hat, wird mehr oder weniger gegen seinen Willen in der DDR für einen Kundschafterdienst eingesetzt und kehrt nicht wieder zurück, weil er geschnappt wurde.« Knut Hickethier, epd Medien 97/2002

Die Revolution entläßt ihre Kinder | B Claus Hubalek nach Wolfgang Leonhardt | 3 Teile | 22., 24. und 29. Mai 1962 | »Autor Claus Hubalek: ›Mit diesem Stoff haben wir den einzig möglichen Blick in die Werkstatt für Funktionäre.‹ NDR-Fernsehspielleiter Egon Monk: ›Der Schaden fängt doch schon mit der Unkenntnis an.‹ Regisseur Rolf Hädrich: ›Und deshalb machen wir das – für alle Leute, die das Buch nicht gelesen haben … Jede Dramatisierung muß vermieden werden. Wir wollen Bewußtseinsvorgänge sichtbar, Denkprozesse für Zuschauer offensichtlich machen.‹ So will Hädrich denn auch ›Erschütterungen nicht ausspielen‹ lassen. ›Verlorene Mutter? Es bleibt kein Raum, solche Dinge auszugären. Es gibt gleich Ersatz: die Politik ... Die Schizophrenie setzt ein zwischen Mensch und Partei.‹« Der Spiegel 16/1962

Der Schlaf der Gerechten | B Oliver Storz nach Albrecht Goes | 21. November 1962 | »Das TV-Spiel setzt sich mit der Verhaltensweise von Menschen im Alltag des Dritten Reiches auseinander. Es wird anhand der Geschichte der tüchtigen, aber politisch uninteressierten Metzgers-Ehefrau Margarethe Walker versucht, die Ausweglosigkeit einer moralischen Zwangslage zu zeigen, in die jeder von uns unversehens geraten kann.« ARD-Programmhinweis 1962

Haben | V Julius Hay | 9. Januar 1964 | »In einem ungarischen Dorf sterben ältere Männer unter seltsamen Umständen. Niemand weiß, daß die Hebamme Képes, eine Männerhasserin, dahinter steckt. Zu ihr kommen leidgeprüfte Frauen, die von ihren Gatten nicht länger belästigt werden wollen und bekommen gegen ihre Besitztümer kleine Tütchen mit Gift.« Die Krimihomepage

Nach Ladenschluß | B Dieter Meichsner | 24. März 1964 | »Lisa, die Schallplatten verkauft und mit dem braven, anständigen Rolf verlobt ist, spielt mit Ausbruchsgedanken aus ihrem Alltag. Sie begegnet dem selbstsicheren Ingenieur Horst Radack, dessen Zynismus sie reizt. Sie kann sich der Anziehung des Mannes nicht entziehen und verliebt sich in ihn, obwohl sie ahnt, daß die Liebe ohne Bestand sein wird. Wird es ihr gelingen, in jene Bereiche zurückzufinden, die ihre Welt ausmachen, zu Rolf, zum bürgerlichen Leben?« ARD-Programmhinweis 1964

Zuchthaus | B Claus Hubalek nach Henry Jaegers Roman »Die bestrafte Zeit« | 25. Mai 1967 | »›Zuchthaus‹ … prangert Mißstände an, die Prügelei, den Sadismus, das obrigkeitliche Denken des Wachpersonals, erklärt die Technik der Himmelstoß-Erben (leise sind die, scheinbar korrekt, eher jovial als perfid) und illustriert die kleinen Tricks, mit deren Hilfe man den Bruder Aufsässig gefügig macht.« Die Zeit 22/1967

Kraft des Gesetzes | V Henri Debluë | 21. Januar 1968 | »Das Stück, das auf einer wahren Begebenheit beruht, spielt während des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz. Der junge Matthias Worf wird für einen Polizistenmord zum Tod verurteilt. Während ein Schweizer Bundesgesetz zum Zeitpunkt des Urteils die Todesstrafe bereits abge­schafft hat, gilt in einer zweijährigen Übergangszeit noch kantonales Recht und deshalb auch das Todesurteil. Die strengen Gesetzeshüter beharren auf der Voll­streckung. Und während in Europa der Krieg tobt und Millionen Menschen sterben, muß sich der zuständige Landammann auf den Weg machen, um einen Henker und eine Guillotine zu beschaffen.« Die Krimihomepage

Biographie – Ein Spiel | V Max Frisch | 6. Dezember 1970 | »Der Versuch eines Mannes, nachträglich seine Biographie zu ändern, sieht zunächst einfach aus; doch in der Konfrontation mit den Stationen seines Lebens erscheint er aussichtslos.« Lexikon Filme im Fernsehen

Kennen Sie Georg Linke? | B Dieter Meichsner | 27. Juni 1971 | »Das Fernsehspiel beschreibt einige Tage im Leben eines Berliner Tischlermeisters, der bei der Baader-Befreiung seine ersten Erfahrungen mit politischer Gewalt macht. In der Hauptrolle: der Berliner Karikaturist Oswin.« Der Spiegel 26/1971

Rolf Hädrich verfilmte außerdem Werke von Samuel Beckett, Gottfried Benn, Manfred Bieler, Bertolt Brecht, Albert Camus, Axel Eggebrecht, Marek Hlasko, Halldór Laxness und Slawomir Mrozek.

6. Juli 2013

Geld. Macht. Sex.

Wiedergesehen auf DVD | »Unter dir die Stadt« von Christoph Hochhäusler (2010)

Quellende Wolken über der Stadt. Ein Aufzug nach oben. Macher unter sich: »Es wird ein bißchen scheppern, aber probieren wir’s.« … Frostiger Versuch über eine Welt, in der man zum Lachen auf die Dachterrasse geht – und sich dann doch lieber in die Tiefe stürzen möchte. Christoph Hochhäusler benutzt das Frankfurt der Banken, wie Michelangelo Antonioni einst das Mailand der Verlage, das Rom der Börsianer, das Ravenna der Chemiewerke benutzte: als Folie für eine hermetische Beziehungsstudie, die mittels der präzisen Beobachtung zwischenmenschlicher (und (stadt-)räumlicher) Verhältnisse gesellschaftliche Zustände konstatiert. Das Wechselspiel von Beherrschung und Selbstbeherrschung, von Berechnung und Abstraktion, das die beschriebene Welt determiniert, wird konsequenterweise zum Gestaltungsprinzip des Films: Eine hochgradig kalkulierte Kamera (Bernhard Keller) setzt extrem distanzierte Darsteller (Robert Hunger-Bühler, Nicolette Krebitz, Mark Waschke, Corinna Kirchhoff) in anonym-ästhetische Bilder. Die (privaten und sozialen) Leidenschaften wallen hinter spiegelndem Glas, und erst ganz am Ende – in einem knappen, visionären Epilog – gerät die äußerste Kontrolle schließlich und endlich außer Kontrolle: »Es geht los.«

3. Juli 2013

Trio Infernal

DVD | »Drei gegen Drei« von Dominik Graf (1985)

Eine Klamotte ist eine Klamotte ist eine Klamotte. Dominik Grafs ehrenwertes Bemühen, mit dem Neue-Deutsche-Welle-Trio Stephan Remmler, Kralle Krawinkel und Peter Behrens so etwas wie eine anarchische Filmkomödie zu verfertigen, gerät zum staksig arrangierten Wust aus Zoten und Flachwitzen, Klischees und Geblödel. Die Grundidee klingt vielversprechend: Die drei südamerikanischen Foltergeneräle Weingarten, Ludovico und Klotz planen, sich mit ihren (dem Volk abgepreßten) Reichtümern zur Ruhe zu setzen, nachdem an ihrer Statt drei (unfreiwillige) Doubles während eines Staatsbesuches (in Berlin) bei einem Attentat ins Jenseits gesprengt wurden … So weit, so gut, aber »Drei gegen Drei« eiert ohne Plan (und leider auch ohne jeden Wahnsinn) zwischen dem Dadadaismus der drei Haupt- bzw. Selbstdarsteller, lahmer Politsatire, unbeholfen imitiertem Zucker-Abrahams-Zucker-Slapstick und plump kopierter Richard-Lester-Exzentrik. Zwar gibt es den einen oder anderen hübschen Einfall – wie Sunnyi Melles’ Ritt auf einer Panzerkanone (»Das is’n Rohr, wa?«) oder die Erschießung eines außer Kontrolle geratenen Maschinengewehrs –, doch allzumeist verpufft der schale Spaß dieser untergärigen Überproduktion in seltsam toten Bildern. Um es mit den Worten von Sicherheitsmann Kaminski (Ralf Wolter) zu sagen: »Oh ... verdammt ... eine Apokalypse.«